„Zusammengehörig und eigenständig – das Geheimnis der guten Balance“
Der Weg Nr. 1 zur erfüllten und glücklichen Partnerschaft
Sich zusammengehörig zu fühlen und dennoch das Eigene zu bewahren – das ist eine der Kernaufgaben jeder Partnerschaft von deren Anfang bis zum Ende. Hättest Du gedacht, dass Paare – laut unseren Beobachtungen - hier mit am häufigsten aneinandergeraten bzw. auseinanderdriften?
Inhalt:
Impuls zur Standortbestimmung
Woran Du erkennst, wenn es nicht stimmt
Was Du unbedingt wissen solltest
Zeit für Besinnung - unsere Reflexionsfragen
So kommt Ihr voran - unsere drei Tipps
Was uns persönlich bewegt - zwei Statements von uns zu dem Weg
Impuls zur Standortbestimmung
Unser Impuls zur Standortbestimmung besteht aus einem Leitsatz und einer Kardinalfrage. Der Leitsatz für Weg 1 beschreibt eine Gratwanderung.
Wir wollen - ein/e jede/r von uns auf eigenen Füßen stehend - zusammen durchs Leben gehen.
Was würdest Du spontan sagen: Kannst Du diese Aussage unterschreiben? War das schon immer so?
Die Kardinalfrage fordert Dich zu einem klaren Ja oder Nein heraus. Lass die Kardinalfrage bzw. Deine Antwort eine Zeitlang auf Dich wirken, bevor Du weiterliest!
Hast Du grundsätzlich und im täglichen Leben dafür gesorgt, dass Du Deine Bindung in der Partnerschaft erfährst und genügend Dinge für Dich machst?
Woran Du erkennst, dass es nicht stimmt
Die folgenden Fragen helfen Dir herauszufinden, wo Ihr eventuell unterwegs ins Trudeln geraten seid.
Hat eine/r von Euch zu viel von sich bzw. von den persönlichen Freiheiten aufgegeben?
Bestehen einseitig verteilte Abhängigkeiten? Wird es Dir öfters mal zu eng in Deiner Beziehung?
Klammert Dein Partner/in – z.B. aus Eifersucht oder einem anderen Motiv? Oder beschwert er bzw. sie sich bei Dir, weil Du es machst?
Hockt Ihr vielleicht beide ständig so aufeinander, dass ziemlich abgestandene Luft herrscht?
Genausogut kann die Kehrseite der Medaille Ins Blickfeld geraten.
Lebt Ihr zu sehr nebeneinander her?
Klaffen Eure Lebensschwerpunkte auseinander?
Macht jede/r nur noch weitgehend sein bzw. ihr Ding – womöglich ohne klare Absprachen?
Seid Ihr gemeinsam einsam?
Oder seid Ihr da recht gegensätzlich – etwa in dem Sinne, dass Du Dich oft alleingelassen fühlst, dass Du Dir wünschst, dass Dein/e Partnerin voll und ganz zu Dir steht und mehr Verbindlichkeit zeigt, während er/sie sich nicht festlegen will? Z.B. aus Trägheit oder aus Scheu vor damit verbundenen Konflikten mit anderen Personen?
Wenn Du eine der Fragen aus dem ersten Kasten bejahst, hast Du es mit Verlusten in der Eigenständigkeit zu tun. Im zweiten Kasten geht es um Verluste in Deiner oder Eurer Zugehörigkeit, im Empfinden von Zusammengehörigkeit.
Was Du unbedingt wissen solltest
Das Geheimnis der guten Balance besteht an erster Stelle in der Balance selbst. Es braucht wirklich beides in der Paarbeziehung – sowohl Zusammengehörigkeit als auch Eigenständigkeit. In beiden kommen menschliche Grundbedürfnisse zum Ausdruck, beide sind Teil des menschlichen Wesens. Keine der beiden Qualitäten des Daseins ist wichtiger oder wertvoller als die andere. Beide zusammen ergeben eine grundlegende Polarität des Lebens – so wie „männlich“ und „weiblich“ oder „trocken“ und „nass“.
Jede/r von Euch steht also vor der Aufgabe, bei der Erfüllung der eigenen Bedürfnisse flexibel zwischen beiden Seiten des Grates hin- und herzuschwingen. Und zugleich vor der Aufgabe, sich so auf die Balance des Partners bzw. der Partnerin einzustellen, dass beide gut zusammenschwingen. Das fordert Euch umso mehr heraus, je unterschiedlicher Eure Bedürfnisse jeweils ausgeprägt sind.
Entscheidend ist die langfristige Balance innerhalb jeder Person. Kurz- und mittelfristig muss vielleicht immer mal eine/r zurückstecken, was der/die andere unbedingt würdigen sollte. Wenn Kinder zu versorgen sind, verzichten häufig die Frauen auf ihre Eigenständigkeit. Wenn einer krank wird, verlieren oft beide ihre Eigenständigkeit. Wenn einer viel auf Reisen ist, fehlt es womöglich beiden an Zusammengehörigkeit.
Wenn Du eine der beiden Seiten gar nicht lebst bzw. chronisch unterversorgt lässt, tust Du Dir nicht nur selber weh. Auch Dein Partner bzw. Deine Partnerin wird dann über kurz oder lang mehr auf Distanz zu Dir gehen. Du magst manchmal den Eindruck haben, dass Zugehörigkeit und Eigenständigkeit zueinander in Konkurrenz stehen, dass ein Mehr vom Einen ein Weniger vom Anderen bedeutet. Doch das muss nicht so sein. Im Gegenteil – sie können sich gegenseitig unterstützen.
Findet also positive Wechselwirkungen zwischen Eigenständigkeit und Zugehörigkeit! Das ist das zweite Geheimnis der guten Balance. Eine gute Portion Eigenständigkeit, die Du verwirklichst, nimmt Deinem Partner den vermeintlichen oder realen Druck, vor allem übers Zusammensein für Dein Wohl zu mitsorgen zu müssen. Vielleicht stiftet das, was Du für Dich selber machst, sogar Stoff, der Euch fast wie von selbst näher zusammenbringt. Vielleicht wird Dein Entgegenkommen in Sachen Zugehörigkeit belohnt, indem es dann Deinem Partner viel leichter fällt, Dir bestimmte Freiräume zuzugestehen. Oder indem Dein Partner bei der Gestaltung seiner Freiräume mehr auf Dich Rücksicht nimmt. Das ist es jedenfalls, was wir sehr oft bei der Begleitung von Paaren erleben.
Wenn Ihr Euch in Sachen Eigenständigkeit und Zugehörigkeit uneins seid oder bislang Dinge voneinander erwartet habt, die mindestens eine/r nicht erfüllen konnte, ist aus einem dritten Grund Entspannung angesagt. Damit klingt zugleich das dritte Geheimnis der guten Balance an: Es gibt so viele Möglichkeiten, beides zum Ausdruck zu bringen.
Du kannst Zugehörigkeit beispielsweise demonstrieren
- durch das Setzen großer Meilensteine wie Heiratsantrag, Zusammenziehen oder ein klares Ja zur Elternschaft,
- durch Akte wie das Tragen des Eherings oder gemeinsame Kaufentscheidungen,
- durch Liebesgeflüster und körperliche Nähe,
- durch die Art, wie Du Dich mit Deinem Partner bzw. Deiner Partnerin vor anderen zeigst und wie Du über Euch sprichst.
Du kannst Eigenständigkeit an den Tag legen, indem Du
- eigenverantwortlich bestimmte Aufgaben übernimmst,
- Kurse besuchst und Fortbildungen machst,
- ohne Partner/in mit Freunden in den Urlaub fährst,
- eigenes Geld verdienst.
Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten des Mannes oder der Kinder lange zurückgestellt haben, vermissen eine eigene Berufsarbeit und die damit verbundene soziale und finanzielle Anerkennung sehr oft und kreiden dieses Manko bewusst oder unbewusst der Paarbeziehung an. Erst recht, weil es heutzutage Standard ist: In Mitteleuropa gehen um die 70 % aller erwerbsfähigen Frauen einer bezahlten Arbeit nach.
Da ist noch ein weiterer Punkt zur Entspannung und Erleichterung, der das vierte Geheimnis in sich birgt: Ihr braucht keine Lösung für alle Zeiten. Denn das Verhältnis von Eigenständigkeit und Zugehörigkeit hat nichts Statisches. Es ist eher wie ein sehr langsames Pendel, das mal mehr zur einen, mal mehr zur anderen Seite hin ausschlägt. Die Bedürfnisse selbst können sich im Lebenslauf verändern. Je nach Situation und Lebensphase variieren auch die Möglichkeiten oder Erfordernisse. Kinder, die größer werden oder das Elternhaus verlassen, schaffen ebenso neue Gestaltungsspielräume wie der Ruhestand eines Partners oder veränderte Arbeitszeiten. Krankheit, Arbeitslosigkeit oder finanzielle Engpässe erzwingen womöglich neue Prioritäten.
Zeit für Besinnung – unsere Reflexionsfragen
Wir haben verschiedene Fragen zusammengestellt, die Dir bzw. Euch mehr Klarheit bringen könnten, wenn Ihr über die Antworten nachdenkt. Unsere Empfehlung lautet: Wählt die Fragen aus, die Euch jetzt im Moment am meisten ansprechen! Schreibt Eure Antworten auf!
Wenn Ihr so weitermacht wie zuletzt, wo steht Ihr dann in drei Jahren?
Wo braucht Eure Beziehung vor allem Impulse? Eher bei der Zusammengehörigkeit oder eher bei der Eigenständigkeit?
Wie hast Du Eigenständigkeit vor der Partnerschaft gelebt? Was ist aus ihr in der Partnerschaft geworden? Was kannst Du evtl. wiederbeleben?
Was macht Dir Angst, was reizt Dich beim Gedanken an mehr Eigenständigkeit?
Wie hat sich das Zusammengehörigkeitsgefühl seit Beginn Eurer Paarbeziehung entwickelt?
Was macht Dir Angst, was reizt Dich beim Gedanken an mehr Zusammengehörigkeit?
Welche Zugehörigkeit brauchst Du, um Dich wohlzufühlen?
Welche praktischen Gelegenheiten könntet Ihr mehr nutzen, um Zusammengehörigkeit bzw. Eigenständigkeit zu stärken?
Wenn Du Dir für Deine Erfüllung etwas vom Partner bzw. von der Partnerin wünschst, welche Bitte hast Du an ihn bzw. an sie? Was kannst Du im Gegenzug anbieten?
Wie kannst Du Deinen Partner bzw. Deine Partnerin ermutigen oder begeistern, mehr für seine bzw. ihre Erfüllung zu tun?
Und nochmals: Was Euch am meisten bringt, ist, wenn jede/r die Fragen für sich beantwortet und Ihr Euch darüber austauscht. Das ist gelebte Eigenständigkeit und Zugehörigkeit.
So kommt Ihr voran – unsere drei Tipps
Jahresbilanz – ein wiederkehrendes Feintuning
Die Jahresbilanz soll Euch helfen, frühzeitig Fehlentwicklungen zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern. In der Jahresbilanz ziehst Du einmal jährlich mit Deinem Partner bzw. Deiner Partnerin Bilanz über die Balance. In der Rückschau auf das Jahr überprüft Ihr, wie sich die Gewichte von Zusammengehörigkeit und Eigenständigkeit verteilt haben:
- Sind die jeweiligen Bedürfnisse gleichgeblieben oder haben sie sich verändert?
- Wodurch habt Ihr Zugehörigkeit erfahren, wodurch Eigenständigkeit?
- Wie ging es Euch damit?
- Feiert Euch für alle Pluspunkte, mit denen Ihr als Seiltänzer/in die Waage halten konntet!
Zusammengehörigkeit als Fixpunkt im Kalender
So unterschiedlich Eure Vorstellungen von Zugehörigkeit sein mögen, findet dafür einen regelmäßigen Ausdruck, der Euch beiden zusagt – innerlich wie äußerlich! Einen Ausdruck, der kein fauler Kompromiss ist, sondern den Ihr wirklich frei gewählt habt! Wie wäre es z.B. mit einer mehrstündigen bis ganztägigen exklusiven Paarzeit, die Ihr mindestens einmal im Monat miteinander verbringt? Exklusiv – das heißt ohne Kinder, Eltern, Freunde und auch ohne Handy. Exklusiv – das bedeutet, dass es in dieser Zeit ausschließlich um Euch, Eure Vorlieben und Euer Wohlbefinden geht.
Mehr Eigenständigkeit, die verbindet
Lasst Euch noch mehr auf die Idee ein, dass Ihr Formen von Eigenständigkeit leben könnt, die sowohl für Euch persönlich als auch für Euch als Paar wertvoll sind. Wählt eine Eigenständigkeit, die Euch in Eurer persönlichen Identität bestärkt, die Euch spüren lässt, dass Ihr einen Wert auch außerhalb von Partnerschaft und Familie habt! Welche Art Eigenständigkeit habt Ihr Euch am wenigsten zugestanden – entweder Euch selbst oder einander? Denn es kommt darauf an, dass Ihr Euch wechselseitig dafür freigebt. Ist es vielleicht ein Urlaub ohne Partner/in? Ein ehrenamtliches Engagement? Eine Teilzeitarbeit? Was immer Ihr in der Eigenzeit erfahrt – es macht Euch für den Partner bzw. die Partnerin interessant. Tauscht Euch also darüber aus und erfahrt darüber wiederum Verbundenheit!
Was uns persönlich bewegt - zwei Statements von uns zu dem Weg
Christoph Nitschke
Von einigen Anfangswirren abgesehen haben wir das Glück, unsere Zusammengehörigkeit ernsthaft-verbindlich und spielerisch zugleich zu erfahren. Mein Zugehörigkeitsempfinden ist über die Jahrzehnte immer größer geworden, früher brauchte ich mehr Raum für mich. Ich kann hautnah spüren, dass Karin unsere Zusammengehörigkeit total wertvoll ist – ob als Paar, als Eltern, Großeltern, in der Firma oder im Freundeskreis. Gleichzeitig habe ich nie den Eindruck, dass es von mir abhängt, wie gut es ihr geht. Egal wo und wie sie sich ihre Eigenständigkeit bewahrt hat – typisch ist, dass Ihr Eigenes nicht nur ihr, sondern auch mir gut getan hat. Ihr geht es ähnlich. Die Zeiten, die wir ohne einander verbringen, liefern kontinuierlich Dünger für unsere Verbundenheit. Ich bin jedes Mal voller Vorfreude auf den Moment, wo wir uns wiedersehen, wo ich daran teilhaben darf, was Karin in der Zwischenzeit erlebt hat, und wo ich darauf brenne, ihr von meinen Erlebnissen zu erzählen. Nach jedem Austausch bin ich ein Stück reicher als zuvor.
Karin Scheinert
Wenn ich auf unsere Beziehungsgeschichte zurückblicke, bin ich ganz begeistert davon, wie viele unterschiedliche Qualitäten und Mischungen wir von Zugehörigkeit und Eigenständigkeit in unserer Beziehung praktiziert haben. In unserer Berliner Zeit lebten wir die ersten fünf Jahre in unterschiedlichen Wohnungen und Wohngemeinschaften. Da hatten wir getrennte Kassen und Konten, wobei es auch noch blieb, als wir kurz vor der Geburt unserer ersten Tochter Lisanne zusammenzogen. Wir schrieben auf, wer wie viel wofür ausgab. Allerdings rechneten wir nie wirklich ab. Nach 15 Jahren warfen wir alle Zettel weg und beschlossen, nun gemeinsame Kasse zu machen. Das war kurz nach unserem Umzug ins Berchtesgadener Land, den wir mit unserer Hochzeit nach 15 Jahren Liebesbeziehung und 10 Jahren Elternschaft besiegelten. Als frauenbewegte Frau wollte ich eigentlich immer finanziell unabhängig und nicht verheiratet sein. Selbstbestimmung und Freiheit sind für mich seit meiner Jugendzeit sehr wichtige Werte. Meine Lernaufgabe in unserer Beziehung war weniger die Eigenständigkeit als vielmehr zu erfahren, dass ich darauf vertrauen kann, dass Christoph mich trägt, wenn ich mal etwas aus eigener Kraft nicht schaffe. Das zuzulassen hat mich noch tiefer mit ihm und mit dem Teil in mir verbunden, der auch mal schwach und anlehnungsbedürftig sein will.