„Was vorher war, darf vorbei sein - der gute Abschied von früheren Partnern/innen“
Der Weg Nr. 10 zur erfüllten und glücklichen Partnerschaft
„Lass uns gute Freunde bleiben!“, das nehmen sich viele Paare für den Fall vor, dass es eines Tages auseinandergehen sollte. Oder sie hoffen darauf, wenn die Trennung näher rückt. Wird nach der Trennung aus der Hoffnung Wirklichkeit, kann man/frau sich immerhin sagen, dass manches gestimmt haben muss, obwohl die Beziehung nicht gehalten hat. Das tut nicht nur der eigenen Seele gut, sondern insbesondere den Kindern, die vielleicht aus der Beziehung hervorgegangen sind. Sollte ein freundschaftliches Verhältnis nach dem Ende nicht gelingen, reicht auch eine weitgehende Neutralität, um den Lebensweg getrost fortzusetzen und in einer neuen Partnerschaft anzukommen. Häufig jedoch wirken alte Verletzungen oder ungelöste Themen lange nach und behindern die Paarbeziehung von heute. Dann lohnt es sich, mehr über den Weg Nr. 10 zu erfahren.
Inhalt:
Impuls zur Standortbestimmung
Woran Du erkennst, wenn es nicht stimmt
Was Du unbedingt wissen solltest
Zeit für Besinnung - unsere Reflexionsfragen
So kommt Ihr voran - unsere drei Tipps
Was uns persönlich bewegt - zwei Statements von uns zu dem Weg
Impuls zur Standortbestimmung
Unser Impuls zur Standortbestimmung besteht aus einem Leitsatz und einer Kardinalfrage. Der Leitsatz für den Weg Nr. 10 enthält bewusst den Plural, da keineswegs nur die letzte Beziehung auf das Hier und Jetzt ausstrahlt.
Wir sind im Frieden mit unseren früheren Partnerschaften und ihren Folgen.
Was würdest Du spontan sagen: Kannst Du diese Aussage unterschreiben, und zwar für Euch beide? Wenn ja, gehört Ihr zu den Paaren, die vergangene Beziehungen wirklich ruhen lassen können. Vielleicht habt Ihr einfach Glück gehabt, vielleicht habt Ihr viel dafür tun müssen. Macht Euch diesen „Startvorteil“ auf jeden Fall bewusst!
Die Kardinalfrage fordert Dich zu einem klaren Ja oder Nein heraus. Lass die Kardinalfrage bzw. Deine Antwort eine Zeitlang auf Dich wirken, bevor Du weiterliest!
Hast Du frühere Beziehungen gut hinter Dir lassen können und bist Du ganz in Deiner jetzigen Partnerschaft angekommen?
Woran Du erkennst, dass es nicht stimmt
Es gibt Taten, die für sich sprechen und die zeigen, dass es mit der guten Ablösung hapert oder weit fehlt. Dazu zählt alles, womit Du einem Früheren das Leben schwerer machst oder er Dir. Er klingelt „zufällig“ genau zu der Zeit an der Tür zur ehemals gemeinsamen Wohnung, wo Du Deinen neuen Partner eingeladen hast. Sie spricht vor den Kindern schlecht über Dich. Er hält sich nicht an die verabredeten Zeiten zur Übergabe der Kinder. Sie zögert die Scheidung ewig hinaus. Ganz zu schweigen von dem berüchtigten Rosenkrieg, der auch längst nach der Trennung immer wieder aufflammt.
Auch kleine Aktionen zeugen von verbliebenen Bindungen an Frühere. Du wechselst z.B. die Straßenseite, wenn er Dir entgegenkommt. Du greifst ihr immer wieder unter die Arme, weil sie Dir leidtut. Vieles lässt sich am Verhalten der Kinder ablesen. Wenn diese einen Elternteil ablehnen, ohne selbst von ihm verletzt worden zu sein, ist das oft ein Hinweis darauf, dass sie vom anderen Elternteil als Bündnispartner funktionalisiert werden.
Auch Gedanken, Gefühle und Worte erzählen von ungesunder Bindung. Du hast vielleicht immer noch ein schlechtes Gewissen, weil Du Deine frühere Partnerin verlassen hast. Sie tut das Ihre dazu, damit Du Dich schuldig fühlst. Kaum denkst Du an Deinen Ex-Mann, steigt in Dir die Wut hoch. Du hast den Eindruck, die Ex-Frau Deines Partners liege mit im Bett. Es fallen viele beleidigende Worte, wenn Du über ihn oder sie sprichst.
Was Du unbedingt wissen solltest
Gehörst Du zu den wenigen Personen, die noch mit der „ersten Liebe“ zusammen sind? Wahrscheinlich nicht. Das hat dann zumindest den Vorteil, dass Du mit Deiner mehrfachen Beziehungserfahrung die Qualität der gegenwärtigen Partnerschaft besser einschätzen kannst. Hoffen wir mal, dass Du nicht vom Regen in die Traufe gekommen bist!
Wenn Deine früheren Partnerschaften flüchtig waren, dürften sie i.d.R. kaum Spuren in Deinem jetzigen Leben hinterlassen. Anders sieht es bei tieferen Bindungen aus. Unter deren „Folgen“, die wir im Leitsatz erwähnt haben, verstehen wir z.B. gemeinsame Kinder, geschaffene Besitzstände, Unterhaltspflichten, mitgeschleppte Verluste und Kränkungen oder Auseinandersetzungen, die Dich weit über die Trennung hinaus verfolgen.
Stichwort Unterhalt: Wusstest Du, dass drei Viertel aller Unterhaltspflichtigen ihren Partnern weniger zahlen als ihnen gesetzlich zusteht? Kein Wunder, dass es da oft zu heftigem Streit kommt!
Stichwort Gewalt und ihre Androhung: Jede vierte Frau wird mindestens einmal von ihrem aktuellen oder früheren Partner angegriffen. 80 % der häuslichen Gewalt geht von Männern aus (SZ Nr. 76 vom 31.3.2020, S. 6). Das schließt also beispielsweise das Stalking nach einer Trennung ein, unter dem viele Frauen leiden – zum Teil ohne rechtlichen Schutz. Fast jeden Tag wird in Deutschland ein Mord bzw. Totschlag in der Paarbeziehung verübt, meist vom Mann. Der Mann tötet die Frau, um sie für sich zu behalten (wenn diese sich loslösen will). Die Frau dagegen tötet den Mann in höchster Not, um endlich von ihm freizukommen. Manche Partner/innen drohen, sich umzubringen, wenn der/die andere gehen will. Einige setzen die Ankündigung in die Tat um. Das kann starke Schuldgefühle bei denen erzeugen, die sich getrennt haben. Es leuchtet Dir bestimmt ein, dass derartige Vorgeschichten noch lange nachwirken.
Mit all den erwähnten Folgen im Frieden zu sein, bedeutet zweierlei. Zum einen geht es ums Loslassen dessen, was vorbei ist. Zum anderen geht es um den konstruktiven Umgang mit dem, was bleibt. „Annehmen, was ist“ – so könnte man beides zusammenfassen. Wobei die Zeit häufig wirklich Wunden heilt oder das berühmte Gras über die Vergangenheit wachsen lassen kann. Je länger die alten Beziehungen zurückliegen, umso weniger beeinflussen sie die gegenwärtige Partnerschaft. Das Annehmen gelingt Dir leichter, wenn Du versuchst, Dich und das Gegenüber zu verstehen. Von Deiner Beziehung wiederholt zu erzählen, kann Dich erleichtern und mehr Klarheit bringen.
Jedes Loslassen braucht einen gebührenden Abschied. Wie beim physischen Tod will eine Beziehung beerdigt sein, damit Neues entsteht. Zum Begräbnis einer Partnerschaft gehören idealer Weise von Angesicht zu Angesicht gesprochene, vorwurfsfreie Abschiedsworte und persönliche Abschiedsrituale. Völlig unangemessen ist es dagegen, über Kurzmitteilungen per Handy Schluss zu machen.
Das Loslassen und Annehmen betrifft alle Beteiligten und ist vielschichtiger als Du vielleicht spontan denkst. Warst Du z.B. als Mann schon einmal länger gebunden und Deine jetzige Partnerin auch, dann kann insgesamt bis zu achtmal Loslassen und/oder Annehmen gefragt sein:
- von Dir zu Deiner Ex-Frau und von Deiner Frau zu ihrem Ex-Mann hin (samt Kindern),
- aber auch von Dir zu ihrem Ex-Mann und von ihr zu Deiner Ex-Frau hin (samt Kindern),
- sowie umgekehrt viermal von den beiden Früheren zu Dir und Deiner Frau hin.
Dem getrenntem Mann z.B. gelingt der neue Familienaufbau viel besser, wenn er die Mutter der gemeinsamen Kinder achtet. Die neue Frau in seinem Leben hat z.B. viel bessere Karten bei seinen Kindern, wenn sie deren Mutter achtet. Dabei geht es insbesondere um die Achtung ihrer Position. Die neue Frau braucht sie weder kennen zu lernen noch zu mögen. Für den neuen Mann gilt das Entsprechende. Im Idealfall können sich alte und neue Partner/innen eines Tages entspannt bei Feiern begegnen.
Die Anzahl und Belastung vorangegangener Beziehungen bestimmt, wie viel im Extremfall anzunehmen und loszulassen ist. In dem Zusammenhang denken wir an eine Klientin, die unsere systemische Arbeit gut kannte und sich mit ihrem Freund verloben wollte. Sie teilte ihm mit, dass sie nur zur Verlobung bereit sei, wenn er wirklich für sie frei sei. Deshalb solle er vorher eine Familienaufstellung machen. Er ließ sich darauf ein, obwohl ihm angesichts der ihm unbekannten Methode ziemlich mulmig zumute war. Gleichzeitig konnte er sich überhaupt nicht vorstellen, dass da irgendein Problem sei.
Im Vorgespräch stellte sich heraus, dass er sieben Freundinnen vorher hatte. Zu seiner großen Überraschung war in der Aufstellung unter ihnen zunächst keine einzige, die wohlwollend auf ihn und seine neue Partnerin schaute. Eine war schlichtweg neidisch (obwohl sie sich getrennt hatte), eine andere litt unter ihren enttäuschten Hoffnungen, eine dritte wollte ihn für sich zurückgewinnen, eine vierte war sauer, weil er kein Kind von ihr wollte, eine fünfte haderte noch unter der Abtreibung des Kindes, das er nicht wollte, und zwei zeigten große Verbitterung, weil er mit ihnen gleichzeitig zusammen war. Der Mann erkannte erst in dieser hochverdichteten Begegnung, was für einen Scherbenhaufen er hinterlassen hatte, kam ins Mitgefühl mit den betroffenen Frauen, konnte selbst auch den eigenen Schmerz über die Verluste empfinden und war am Ende in der Lage, um die sog. „Freigabe“ zu bitten. Während dieser mehrstündigen Arbeit zerbröckelte seine allzu locker-flockig-unbedachte Fassade und machte einer neuen Ernsthaftigkeit Platz. Es kam dann auch zur Verlobung. Zehn Jahre später trafen wir den Mann in der Kneipe wieder – mit der Verlobten von damals glücklich verheiratet und als Vater von zwei Kindern.
So verrückt es klingt – alle Früheren sind Teil des gegenwärtigen Systems. Nur weil z.B. Deine Vorgänger/innen ihren Platz freiwillig oder notgedrungen geräumt haben oder ihn jetzt zu räumen bereit sind, bist Du erneut zu haben. Die Nachkommenden haben den Früheren ihren Zutritt zu verdanken, auch wenn sie sich nie persönlich begegnet sind. Da sind wir wieder beim systemischen Vorrang, den wir im Blogbeitrag zu Weg Nr. 8 angesprochen haben.
Zum Loslassen und Freimachen gehört selbstverständlich die Scheidung, falls jemand vorher verheiratet war. Wer noch nicht geschieden ist, wird nicht frei für die neue Partnerschaft – völlig unabhängig vom persönlichen guten Willen. Die amtlich und/oder kirchlich vollzogene Ehe hat eine starke Bindungskraft. Lass` Dich also niemals allzu lang vertrösten, wenn Du mit jemand zusammen bist, der/die noch verheiratet ist, auch wenn er/sie lauter Argumente und allen Charme in die Waagschale wirft.
Wer eine/n früheren Partner/in durch Tod infolge eines Unfalls oder einer schweren Krankheit verloren hat, muss ebenfalls loslassen lernen, um Platz für die neue Beziehung zu schaffen. Trauer und Gram, die steckengeblieben sind, behindern das neue Glück. Gleiches gilt für die gedankliche Rückkehr zum unerreichbar gebliebenen Schwarm von früher oder für die Illusion, dass es mit einem Früheren leichter gegangen wäre. Zum Loslassen gehört selbstverständlich der Verzicht auf lästige Vergleiche zwischen dem/r jetzigen und einem/r früheren Partner/in.
Allerdings neigen viele genau dazu – und eher nicht im Sinne eines „Früher war alles besser“. Im Gegenteil: Es ist beliebt, die Früheren abzuwerten, um den Verlust zu mindern und die Trennung zu erleichtern. Frauen lassen deutlich öfter als Männer kein gutes Haar an ihren früheren Partnern, geben ihnen und ihrem Charakter auch häufiger die Schuld am Scheitern. Männer wissen dagegen oft nicht, woran es liegt, dass es zu Ende ging (SZ Nr. 51 vom 2.3.2020, S. 1; SZ Nr. 86 vom 14.4.20, S. 14).
Eine spezielle Gruppe von Früheren bilden die etwaigen „Seitensprünge“. Sie sind einerseits Spätere, werden andererseits zu Früheren, wenn ihre Zeit vorbei ist. Sowohl der/der Fremdgeher/in (meist der Mann) als auch der/die geschädigte Partner/in müssen die Episode wieder loslassen, wenn ihre Beziehung nicht darunter leiden soll. Es sei denn, die Dreieckskonstellation hat für alle Beteiligten klar ausgesprochene Vorteile. Ansonsten geht es hier beim Loslassen vor allem ums Verzeihen.
Zeit für Besinnung – unsere Reflexionsfragen
Wiederholt sich Deine Geschichte oder kannst Du klare Fortschritte im Verhältnis zu früheren Beziehungen erkennen?
Bist Du wirklich im Guten gelöst von allen früheren Partnern/innen? Und zwar doppelt: Du also von ihnen wie auch sie von Dir? Wer könnte sich von Dir zurückversetzt, gekränkt fühlt?
Kann Deine Partner/in Deine Früheren neutral oder wohlwollend sehen?
So kommt Ihr voran – unsere drei Tipps
Das Gute im Schlechten
Finde für jede frühere Beziehung etwas Positives! Schreibe für Dich auf, was Du gelernt hast, woran Du gewachsen bist, was Du ins Hier und Jetzt mitgenommen hast. Lass´ das auch Deine/n Partner/in wissen!
Wertschätzende Ansprache
Wir machen sehr positive Erfahrungen mit wertschätzenden Ansprachen. Für diese müssen die Angesprochenen nicht anwesend sein. Es reicht, dass Du sie Dir vorstellst oder Dir einen Stuhl stellvertretend für sie gegenüberstellst. Adressaten sind Partner/innen von früher, wo noch offene Rechnungen bestehen oder spezielle emotionale Bindungen existieren. In dieser Ansprache übernimmst Du z.B. die Verantwortung für Deinen Anteil am Scheitern, bedankst Dich für das Gute und bittest um Verzeihung für Deine Fehler sowie darum, dass er/sie Dich freigibt und Dir Dein neues Glück gönnt.
Abgrenzung
Falls Du feststellst, dass es noch an der Abgrenzung fehlt: Setze ganz konkrete Schritte, die Dir ein Gefühl von Freiheit geben, und unternimm diese Schritte zum Zeichen, dass Du die klare Absicht zur Ablösung hast!
Was uns persönlich bewegt - zwei Statements von uns zu dem Weg
Christoph Nitschke
Als junger Erwachsener erlebte ich Trennungen, die genau deshalb schmerzvoll wurden, weil ich der Frau nicht wehtun wollte oder weil die Frau den Konflikt mit mir scheute. Auch fiel es mir damals schwer, mich verbindlich auf eine Frau festzulegen, was zu tiefen Auseinandersetzungen mit mir mir und meiner Geschichte führte. Daraus habe ich viel gelernt. Heute kann ich voller Dankbarkeit auf die Beziehungen zu meinen früheren Freundinnen zurückschauen. Jede hat mich wachsen lassen. Nach allem, was ich weiß, hat mich auch jede ziehen lassen, so dass ich mit Karin ganz frei zusammensein kann. Zu zwei Freundinnen von früher besteht noch Kontakt, zu anderen ist er abgebrochen.
Karin Scheinert
Vor Christoph hatte ich zwei vierjährige Beziehungen. Die Lösung von meinen beiden früheren Partnern begann schon vor der eigentlichen Trennung noch in der Zeit, in der ich mit ihnen zusammen war. Ich merkte immer stärker, dass mir etwas fehlte und ich bestimmte Teile von mir nicht voll ausleben konnte. Die Konflikte häuften sich. Wir hatten auch gute Gespräche dazu, die mir bzw. uns dann aber auch zeigten, dass es nicht für eine Liebesbeziehung mit Perspektive reicht. Mein erster Partner hat es erst einmal nur schwer annehmen können, dass ich mich von ihm trenne. Die Verbindung zu ihm brach mit der Trennung ganz ab. Deswegen freute es mich sehr, als er mich nach 35 Jahren zu meinem Geburtstag anrief und mir gratulierte. Kurz danach war er bei uns in der Nähe beim Skifahren und wir trafen uns an einem Abend zum Esssen in einem Restaurant. Mir hat es sehr gut getan zu hören, dass er gut im Leben steht und mit ihm darüber zu sprechen, wie es ihm nach der Trennung ergangen ist. Mit meinem zweiten Partner pflegte ich noch einige Jahre eine Freundschaft. Er war sogar immer wieder als Babysitter für unsere erste Tochter Lisanne aktiv. Er lebt schon seit vielen Jahren in Afrika. Jetzt haben wir nur noch wenig Kontakt zueinander.